Der Ablauf des „Kundenfangs“ stellt sich regelmäßig wie folgt dar:
- Anruf von einem angeblichen Meinungsumfrageinstitut, in dem auf die Möglichkeit Steuern zu sparen hingewiesen wird
- Hausbesuch durch einen Vermittler, der zunächst die wirtschaftlichen Daten der Anleger aufnimmt
- Beratung durch einen Anlageberater, der den Anlegern die konkrete „Anlage“ vorrechnet und diverse falsche Versprechungen in Bezug auf Rendite, Wert, Gewinn und Rücknahme der Immobilie macht
- Notarielle Beurkundung des Immobilienkaufs regelmäßig bereits beim zweiten Beratungsgespräch, ohne dass die Finanzierung sichergestellt ist
Im Rahmen der Verkaufsgespräche werden den Anlegern üblicherweise folgende falsche Versprechungen gemacht, ohne die sie das Geschäft unter keinen Umständen eingegangen wären.
- Zu niedrig angegebene monatliche Belastung bzw. Nettozuzahlung (häufig wird versprochen, es seien lediglich monatliche Zuzahlungen von € 50 bis € 100 erforderlich)
- Falsche Angabe des Wertes der Immobilie, idR ist die Wohnung weit weniger wert als das zur Kaufpreisfinanzierung aufgenommene Darlehen, häufig sogar weniger als die Hälfte (in diesem Fall ist von einer sittenwidrigen Kaufpreisüberhöhung auszugehen),
- Zu gering angegebene Belastung durch das Darlehen, etwa durch falsche Angabe des Tilgungsdienstes (z.B. Angabe der Tilgung mit „0,00“)
- Täuschung über die Laufzeit der Anlage (idR mit 10 Jahren angegeben, anstatt der tatsächlichen Darlehenslaufzeit von über 30 Jahren)
- Zusicherung zu hoher Steuerersparnisse
- Keine anlagegerechte Beratung auf die Bedürfnisse des Anlegers, wenn z.B. „sichere Anlage“ bezweckt war
- Kein Hinweis auf mit der Anlage verbundene Risiken (siehe oben)
- Keine Aufklärung über erhaltene Vertriebsprovisionen, die idR deutlich über 20% in Bezug auf den Kaufpreis liegt (ab 15% muss unaufgefordert auf die Provision hingewiesen werden)
- Keine Aufklärung über Risiken der Anlage wie z.B. Mietausfälle, Reparaturen, Gefahren durch Mietpool-Konstruktion etc.
Problem und Schaden
Mit dem Abschluss des Kapitalanlagegeschäfts besteht für die Anleger das entscheidende Problem darin, dass sie sich die Eigentumswohnung bzw. das Darlehen schlicht nicht leisten können. Entgegen den Zusicherungen der Berater stellt sich für sie nämlich im Nachhinein regelmäßig heraus, dass die monatlichen Nettozuzahlungen um mehr als das doppelte bzw. dreifache höher liegen, als es ihnen durch die Anlageberater zugesichert wurde – sei es, weil die Mieteinnahmen zu hoch angegeben wurden, die Steuerersparnisse nicht realistisch waren oder die Darlehensbelastung falsch angegeben wurde. Aufgrund dieser die finanziellen Möglichkeiten der Anleger übersteigenden monatlichen Belastungen droht vielen Anlegern dann sogar die Schuldenfalle und eine echte Existenzkrise.
Verschäft wird diese Problematik noch durch die Tatsache, dass die Immobilie regelmäßig nicht einmal die Hälfte des Kaufpreises wert ist. Dies führt dazu, dass angesichts der Differenz zwischen Darlehenshöhe und dem tatsächlichen Wert der Immobilie die Eigentumswohnung aufgrund der eingetragenen Grundschuld quasi unverkäuflich ist und die Anleger keine Möglichkeit haben, durch einen Verkauf aus dem Investment herauszukommen, selbst wenn sie zu einem Ausgleich der Vorfälligkeitsentschädigung bereit wären. Sie bleiben folglich in der ruinösen Situation gefangen.
Lösungsansatz
Den Anlegern bleibt folglich regelmäßig nur die Möglichkeit, sich rechtlich gegen die Beteiligten zur Wehr zu setzen. Als Anspruchsgegner kommen dabei nicht nur der Anlageberater und das Vermittlungsunternehmen, sondern auch der Verkäufer, die finanzierende Bank oder der Notar in Betracht. Für jeden dieser Beteiligten bestehen allerdings unterschiedlich Anspruchsgrundlagen und Erfolgsaussichten, sodass wir dringend dazu raten, die Möglichkeiten einer Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und Rückabwicklungsansprüchen bezogen auf den jeweiligen Anspruchsgegner durch einen spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen.
Nachfolgend geben wir lediglich einen Überblick über die Haftungstatbestände differenziert nach den jeweiligen Beteiligten, mit denen Schadensersatzansprüche regelmäßig begründet werden können:
Ansprüche gegen Vertriebsunternehmen bzw. Anlageberater
Hier bestehen die am einfachsten durchzusetzenden Ansprüche, da der Anleger in der Regel direkten Kontakt mit dem Vertrieb hatte. Dieser hatte wie beschrieben durch falsche Versprechungen den Anleger zum Kauf bzw. zur Darlehensaufnahme bewogen. Die Haftung des Vermittlers kann sich dabei beispielsweise ergeben
- aus einer Verletzung des Anlageberatungsvertrages gem. § 280 BGB,
- aus der Inanspruchnahme besonderen persönlichen Vertauens gem. § 311 Abs. 3, Satz 2 BGB
- wegen Betruges gem. §§ 823 Abs. 2 i.V.m. § 263 StGB oder
- wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung gem. § 826 BGB
Zu prüfen ist dabei immer, ob das Vertriebsunternehmen noch zahlungsfähig ist oder bereits Insolvenz angemeldet hat. In diesen Fällen wäre dann zu prüfen, ob Ansprüche gegen den jeweiligen Berater persönlich geltend gemacht werden können. Hier hat das Kammergericht zugunsten der Anleger entschieden, dass sich der Anlageberater nicht ohne Weiteres mit dem Hinweis auf die handelnde Vertriebs-GmbH entlasten kann, selbst wenn mit dieser ein schriftlicher Maklervertrag geschossen worden sein sollte. Auch kommen möglicherweise Ansprüche gegen die ehemaligen Gesellschafter der Vertriebsunternehmen nach den Grundsätzen der Firmenbestattung in Betracht, da diese Gesellschaften üblicherweise vorsätzlich beiseite geschafft wurden. Hier sind die Fallumstände genau zu prüfen.
Ansprüche gegen Verkäufer
Gegenüber den Verkäufern können regelmäßig ebenfalls die nachfolgenden Schadensersatzansprüche geltend gemacht werden:
- Zunächst haften die Verkäufer, weil sie sich vielfach das Beratungsverschulden des Anlageberaters gem. § 278 BGB zurechnen lassen müssen. Die Zurechnung ist im Einzelnen zu prüfen und hängt davon ab, wie sehr der Vertriebler den Anlegern gegenüber als Vertreter des Verkäufers aufgetreten ist. Hier hat der BGH fein abgestufte Fallgruppen gebildet, die im jeweiligen Einzelfall zu überprüfen sind.
- Auch ohne eine Zurechnung des Verschuldens haften die Verkäufer nach den Grundsätzen des institutionalisieren Zusammenwirkens, wenn die Verkäufer mit dem Vertrieb planmäßig zusammengearbeitet haben. Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Berlin gelten diese für die Bankenhaftung entwickelten Grundsätze auch für die Haftung der Verkäufer.
- Schließlich kommen selbst wenn kein Beratungsverschulden zurechenbar ist auch Ansprüche auf Rückabwicklung in Betracht, etwa wenn eine sittenwidrige Überteuerung des Kaufpreises nachgewiesen wird, die Annahme des Kaufvertragsangebotes später als einen Monat nach Abgabe des notariellen Angebot erfolgte oder auch nach den Grundsätzen des Haustürwiderrufsgesetzes.
Zu prüfen bleibt auch hier immer die Solvenz des Verkäufers als Anspruchsgegner, da auch hier die Verkäufer vielfach die jeweiligen Gesellschaften bewusst still liquidieren, um möglichen Haftungsansprüchen aus dem Weg zu gehen. In diesen Fällen kommt dann wiederum eine Haftung der Gesellschafter nach den Grundsätzen der Firmenbestattung in Betracht.
Ansprüche gegen die finanzierenden Banken
Auch gegen die finanzierenden Banken sind unter bestimmten Voraussetzungen nicht nur Schadensersatzansprüche möglich, sondern in gewissen Fallkonstellationen auch außergerichtliche Vergleiche, bei denen dann eher wirtschaftliche Faktoren im Vordergrund stehen.
Schadensersatzansprüche
Auch wenn sich die Banken bei diesen Geschäften auf ihren Pflichtenkreis und damit auf den Standpunkt zurückziehen dürfen, dass sie mit dem zu finanzierenden Geschäft nichts zu tun haben (sog. Trennungstheorie), haben sich in der Rechtsprechung dennoch anlegerfreundliche Fallkonstellationen herausgebildet, bei denen eine Haftung der Banken regelmäßig durchgreift:
- Zunächst hat der BGH die anlegerfreundliche Fallgruppe des institutionalisierten Zusammenwirkens geschaffen, wonach bereits vermutet wird, dass die Bank von den Pflichtverletzungen der Vermittler Kenntnis hat, wenn sie mit diesen planmäßig zusammenwirkt. Nach der Rechtsprechung des Landgerichts Berlin ist von einem planmäßigen Zusammenwirken bereits dann auszugehen, wenn – wie regelmäßig – die Bank sämtliche oder einen großen Teil der Wohnung „durchfinanziert“ hat. Obwohl die Bank auch die Möglichkeit hat, die vermutete Kenntnis zu widerlegen, ist das institutionalisierte Zusammenwirken sozusagen der Klassiker, wenn es um die Haftung der Banken geht.
- Die finanzierenden Banken haften darüber hinaus auch bei einer unterlassenen Aufklärung über eine sittenwidrige Überteuerung, wenn sie den Kaufpreis zu 100% finanziert haben. Nach der Rechtsprechung beispielsweise des OLG Dresden (OLG Dresden, 9. Zivilsenat, Beschluss vom 28. Juni 2012) ist eine Bank insbesondere bei einer Vollfinanzierung – wie regelmäßig in diesen Fällen – eigenverantwortlich zur Prüfung der Werthaltigkeit der Immobilie verpflichtet und darf sich nicht nur auf ihr präsentes Wissen im Sinne einer positiven Kenntnis hinsichtlich der sittenwidrigen Überteuerung des Kaufobjekts beschränken (BGH Urteil v. 29.04.2008 – XI ZR 221/07). Bei eine 100%-Finanzierung muss die Bank folglich eine ernsthafte Prüfung des Wertes der Wohnung vornehmen. Unterlässt sie diese Prüfung, kommen folglich die Grundsätze der o.g. BGH – Rechtsprechung zum Tragen, dass die Bank bewusst die Augen vor der sittenwidrigen Überteuerung verschlossen hat, was einer positiven Kenntnis und folglich einem Wissensvorsprung gleichkommt. Die mangelnde Offenbarung dieses Wissensvorsprungs gegenüber dem Anleger stellt dann eine Pflichtverletzung aus dem vorvertraglichen Schuldverhältnis des Darlehensvertrages dar. Einer Zurechnung von Verschulden bedarf es insoweit schon nicht.
- Nach der Rechtsprechung des Kammergerichts haftet die Bank schließlich für die Pflichtverletzungen der Anlageberater, weil sie dessen Anlageberatung jedenfalls bei Abschluss des Darlehensvertrages nachträglich genehmigt. Aufgrund der Genehmigung muss sich die Bank das gesamte Verhalten des Vermittlers im Zusammenhang mit der Anbahnung des Darlehensvertrages zurechnen lassen, also auch etwaige falsche Angaben im Berechnungsbeispiel etc. Die nachträgliche Genehmigung des Handelns des Vermittlers kann dabei nicht einerseits in eine Billigung nur der richtigen Angaben des Vermittlers aufgespalten werden, während sich die Bank andererseits von den unzutreffenden Angaben distanziert. Auch bei dieser anlegerfreundlichen Rechtsprechung kommt es wiederum auf den jeweiligen Einzelfall an.
Außergerichtliche Einigung
Neben der gerichtlichen Geltendmachung von Ansprüchen empfiehlt es sich insbesondere bei einer Inanspruchnahme der Banken, die Bemühungen auf eine außergerichtliche Einigung zu konzentrieren. Insoweit bestehen erfolgsversprechende Ansätze, bei denen der Schwerpunkte der Argumentation eher auf wirtschaftlichen bzw. „weichen“ Faktoren liegt, wie etwa bei schwacher Solvenz der Anleger oder psychischen Belastungen, die dann auch trotz einer schwächeren rechtlichen Ausgangslage noch zu einer interesssengerechten Lösung führen können. Aufgrund unserer Erfahrungen in der Verhandlung mit Banken haben wir die Kriterien für ein sach- und interessengerechtes Vorgehen bei Vergleichverhandlungen für Banken entwickelt (vgl. nachfolgenden Artikel Außergerichtliche Einigung bei Schrottimmobilien Wie gelangt man dahin und was ist interessengerecht?).
Vorsicht ist in jedem Fall geboten, wenn das bestehende Finanzierungsdarlehen prolongiert werden soll und hierzu ein neuer Darlehensvertrag abgeschlossen wird, da dann mögliche Ansprüche verloren gehen können. Wir empfehlen hier dringend, zuvor eine rechtliche Prüfung durch einen spezialisierten Rechtsanwalt vorzunehmen!
Ansprüche gegen den beurkundenden Notar
Nach neuerer höchstrichterlicher Rechtsprechung (BGH, Urt. v. 7.2.2013, Az. III ZR 121/12) können auch die Notare in die Haftung genommen werden, wenn der Notar den Käufern gegenüber seine aus § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG folgende Amtspflicht verletzt hat. § 17 Abs. 2a Satz 2 Nr. 2 BeurkG regelt, dass dem Verbraucher bei einem Grundstücksgeschäft (§ 311 b Abs. 1 Satz 1 BGB), wozu auch der Erwerb einer Eigentumswohnung gehört, der beabsichtigte Vertragstext zwei Wochen vor notarieller Beurkundung zur Verfügung gestellt werden soll. Der Sinn dieser Vorschrift liegt vor allem darin, den Verbraucher vor übereilten Vertragsabschlüssen zu schützen.
Wir raten dazu, die Möglichkeiten einer Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen und Rückabwicklungsansprüchen durch einen spezialisierten Rechtsanwalt überprüfen zu lassen.
Gerne stehen wir für eine Ersteinschätzung Ihres Falles zur Verfügung.
Unsere Fälle, bei denen wir für Anleger anwaltlich tätig waren bzw. sind:
Verkäufer
- B & V Bauträger- und Vertriebsgesellschaft für Immobilien mbH & Co KG
- Central Bauten- und Projektentwicklungs GmbH
- Central Wohnungsbaugesellschaft mbH
- Contractbau GmbH
- CWI-Gruppe: CWI Real Estate AG, Sechste CWI Wohnen GmbH & Co KG, Dritte CWI Wohnen AG & Co KG Berlin
- Eagle Immobilien GmbH
- Fineline Immobilien GmbH
- IK Consult GmbH
- IMRO Wohn- und Gewerbe Bauträgergesellschaft mbH
- MO.RE.NA GmbH (i.Gr.)
- Pulsstraße 9, 11 Berlin GmbH
- Quadra Haus Liegenschaften GmbH
- RB Real Estate GmbH
- Simi Service GmbH & Co. KG
- U. Bagge GmbH & Co. KG
- ViaNova Immobilien GmbH
Vertriebe
Banken
- ABN AMRO Bank
- BHW Bank
- Commerzbank
- Deutsche Bank
- DG Hyp
- DKB Deutsche Kreditbank AG
- Gallinat Bank
- GMAC RFC Bank GmbH / Paratus GmbH
- IBB Internationales Bankhaus Bodensee
- Oyak Anker Bank